Wer als natursteinverarbeitendes Unternehmen auf Material aus Deutschland oder Europa pocht, wird dafür vom Kunden nicht immer dankbar beklatscht. Das Argument "aber aus China/Indien bekomme ich das gleiche zu einem Zehntel des Preises" schwirrt durch viele Köpfe. – Das ist sogar verständlich, denn die meisten haarsträubenden Ungerechtigkeiten geschehen nunmal im Verborgenen oder so fernab des eigenen Alltags, dass sie einfach nicht in die Entscheidungsfindung einfließen.
Petra Sorge wollte das ändern, nicht hinnehmen, dass Herstellern und Händlern egal zu sein scheint, wie viele Menschenleben an indischem Naturstein hängen. Ihre Reportage bewirkt, dass jeder, der sie liest, das Argument "überprüfbare Abbaubedingungen" garantiert nie mehr belächelt. Ein Viertel des Natursteins, der weltweit verbaut wird, stammt aus Indien – ein Markt für Millionen Arbeiter.
Die meisten von ihnen sterben früh, an Silikose – Steinstaub setzt sich in ihren ungeschützten Lungen fest, sie ersticken. Viele der Witwen dieser Männer müssen selbst in den Brüchen oder der Verarbeitung arbeiten, weil sie ihre Familien anders nicht ernähren könnten. Die meisten Kunden, die indische Steine kaufen, ahnen nichts vom Schicksal der Steinabbauer und ihrer Angehörigen – denn die Händler wissen das Image des exklusiven, aber billigen Materials zu wahren, verstecken sich gern hinter Zertifizierungen, die sie auf Nachfrage nicht näher erläutern.
Die Handelskette der indischen Steine nachvollziehen – ein beinahe unmögliches Unterfangen
Auch für Händler, denen daran läge. Auf die Arbeitsbedingungen haben sie kaum Einfluss.
Regionaler Naturstein ist nicht die einzige Lösung – aber im Gesamtkontext wahrscheinlich trotzdem oft die beste. Und wenn es doch Steine aus Indien sein sollen,
dann sollten es immerhin Fair-Stone- oder Xertifix-zertifizierte sein. Beide Siegel führen Kontrollen vor Ort durch,
schreiben z.B. Maßnahmen zur Staubvermeidung vor und unterlagen Kinderarbeit. Aber auch diese Siegel können nicht garantieren, dass an keinem Abzweig der Produktionskette Menschen ausgebeutet
oder ihre Gesundheit leichtfertig aufs Spiel gesetzt wurde – denn diese Kette ist schlichtweg zu undurchsichtig.
Petra Sorge versucht in ihrem Artikel auch, Lösungsansätze zu finden – einer bestünde etwa darin, Bruchbetreiber und Händler gesetzlich zur Dokumentation ihrer
Mitarbeiter zu zwingen. Sie könnten dann beispielsweise Ansprüche geltend machen, wenn sie erkranken. Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Ob er je von allen Akteuren beschritten wird, kann
niemand sagen. Und so bleibt allen, die sicher sein wollen, unhaltbare Arbeitsbedingungen nicht zu unterstützen, dann vorerst doch "nur" der Verzicht auf indischen Naturstein.
Die gute Nachricht: ein regionales Äquivalent findet sich sehr sicher.